Crashkurs grüner Wasserstoff

Wasserstofftankstelle

Zu einem echten Crashkurs geriet die von der energiewaechter GmbH und der Außenhandelskammer Kuba im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz organisierte Informationseise zum Thema „Erzeugung von grünem Wasserstoff“. Auf der Rundreise mit einer hochrangigen Delegation aus Kuba, bei der wir an zahlreichen relevanten H2-Standorten in Hessen und Nordrhein-Westfalen empfangen wurden, konnten wichtige Fakten zur Nutzung von regenerativen Energien für die Herstellung von grünem Wasserstoff vermittelt werden. Es kam auch zur Sprache, wie es um die Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff in Deutschland derzeit steht und welche Zukunftsaussichten es sowohl hierzulande als auch weltweit gibt. Wir konnten ein paar sehr interessante Erkenntnisse mitnehmen, die wir als Grundwissen zum Element H2 nicht mehr missen wollen.

Unsere Aufgabe während der Delegationsreise bestand darin, die auf Deutsch vermittelten Hintergründe und Darstellungen sprachlich und technisch zuverlässig ins Spanisch zu dolmetschen und so für einen flüssigen Dialog zwischen den Teilnehmern und den verschiedenen Gastgeber:innen zu sorgen. Dank einer akkuraten terminologischen und thematischen Vorbereitung waren wir auch für komplexe technische Rückfragen von kubanischer Seite optimal gerüstet.

Was haben wir über Wasserstoff gelernt?

Von grau zu grün

Zunächst einmal wurde klar, dass die industrielle Herstellung und Nutzung von Wasserstoff gar nicht so neu sind, wie man meinen möchte. Seit langem kommt Wasserstoff u. a. bei der Herstellung von Düngemitteln zur Anwendung, allerdings in Form von „grauem“ Wasserstoff, d.h. hergestellt unter Nutzung von Strom aus nicht nachhaltigen Energiequellen. Neu hingegen ist der Fokus auf die Herstellung von „grünem“ Wasserstoff: Hierbei wird Wasser im Elektrolyseverfahren emissionsfrei zu Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Die modernen PEM-Elektrolyseure, an deren Membranen die chemische Reaktion stattfindet, werden mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betrieben. Diese Stromquellen können mehr oder weniger groß ausgelegte Solar- oder Windkraftanlagen oder sogar Biomasseanlagen sein.

Der Wasserstoff wird nach der Elektrolyse vom Restsauerstoff gereinigt, mit einem Kompressor verdichtet und kann anschließend in Wasserstofftanks abgefüllt werden. An Wasserstofftankstellen wie der des Wasserstoff-Kompetenz-Zentrums h2herten in Herten, NRW (siehe Fotos) können Fahrzeuge, die mit Wasserstofftanks und Brennstoffzellenmotoren ausgestattet sind, betankt werden. Alternativ dazu kann der in der Elektrolyse hergestellte und in Tanks gespeicherte Wasserstoff in der Industrie „rückverstromt“ werden. Der Wasserstoff kann dabei erneut als Energiequelle genutzt werden – und zwar auch dann, wenn die Wind- und Solarkraftanlagen gerade keinen Strom liefern. In einem solchen Fall dient Wasserstoff als Energiespeicher. Überschüssige Mengen Wasserstoff, die nicht mehr in die Tanks passen, können in die Erdgasleitung eingespeist werden. Eine prozentuale Beimischung zum Erdgas stellt dabei kein Problem und keinen Nachteil für die Endverbraucher:innen dar.

Aktuelle Investitionslage

Zum aktuellen Zeitpunkt ist die Herstellung von grünem Wasserstoff für PKWs noch zu kostspielig, um als Kraftstoff für die breite Masse von Endverbraucher:innen attraktiv zu sein. Abgesehen davon liegen die Anschaffungskosten für ein Wasserstoffauto mit ca. 80.000 € noch sehr hoch. Für Transportunternehmen und die Fuhrparks im öffentlichen Nahverkehr und an Flughäfen ist die Verwendung von Wasserstoff jedoch schon Realität. So betreibt der Flughafen Köln-Bonn seinen kompletten Fuhrpark mit grünem Wasserstoff von der eigenen Wasserstofftankstelle und ist in dieser Beziehung energieautark. Erzeugt wird der Wasserstoff mit Ökostrom aus den eigenen PV-Anlagen, die praktisch alle Dachflächen des Flughafens bedecken.

Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland

Derzeit gibt es in Deutschland bereits 105 Wasserstofftankstellen. Fahrten mit brennstoffzellenbetriebenen Fahrzeugen quer durch die Republik sind also bereits möglich. Die App H2.Live für „Emissionsfreifahrer:innen“ zeigt an, wo es Wasserstofftankstellen gibt und ob diese gerade störungsfrei laufen oder nicht.

Beim Tankvorgang wird der Wasserstoff in einer letzten Stufe auf -40 ºC heruntergekühlt, da der im Kompressor verflüssigte Wasserstoff sonst zu heiß wäre, und man sich beim Tanken verbrennen würde. Deshalb kann es vorkommen, dass nach dem Tankvorgang etwas Eis am Tankstutzen zu sehen ist. Für Wasserstofftankstellennutzer:innen gibt es eine deutschlandweit gültige Tankkarte, von der die Beträge für die getankten Mengen abgebucht werden.

Im Wasserstoffzentrum Herten, das sich auf dem Gelände der ehemals größten Zeche Europas befindet, hatten wir die Gelegenheit, den Tankvorgang zu erleben und auch eine kleine Spritztour mit dem Brennstoffzellenfahrzeug zu machen. Beeindruckend war die Beschleunigung des Wagens, der zwar, wie gesetzlich vorgesehen, auf 180 km/h heruntergedrosselt wurde, aber eigentlich bis zu 250 km/h hätte fahren können.

Wasserstoffelektrolysegerät im Kleinformat

In Zusammenarbeit mit dem Brennstoffzellenlabor der Frankfurt University of Applied Sciences hat das Mainzer Startup ennoble Power UG ein kompaktes und tragbares Wasserstoffelektrolysegerät für Kleinstanwendungen z. B. in der Landwirtschaft entworfen. Auch der Einsatz kleinerer Wasserstoffanlagen kann sinnvoll sein.

Mit großen Wasserstoff-Elektrolyseanlagen können Industrieunternehmen energieautark agieren, was angesichts der stark gestiegenen Energiepreise für Planungssicherheit sorgt. Der Pumpenhersteller Wilo SE in Dortmund z. B. klimatisiert seine hochmodernen Fertigungshallen über eine H2-Powerplant aus eigener Entwicklung. Für Hauseigentümer können Wasserstoffheizanlagen eine energieeffiziente und nachhaltige Alternative sein. Die Elektrolyse funktioniert hier mit dem auf dem eigenen Dach selbsterzeugten Solarstrom. So können Wasserstofflösungen auch einen Beitrag zur Energieeffizienz von Gebäuden leisten.

Nachhaltigkeit auf Kuba

Die kubanische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 einen Energiemix mit einem Anteil von 37 % Erneuerbaren Energien zu erreichen. Bei der Umsetzung dieses Ziels könnte auch deutsche Technologie und deutsches Knowhow zur Anwendung kommen. Ziel der von uns begleiteten Inforeise war es, den dafür nötigen Dialog und die Beziehungen zwischen kubanischen und deutschen Akteuren anzubahnen.

Fazit

Die Informationsreise hat verdeutlicht, wie nützlich und wichtig der internationale Austausch und der Technologietransfer im Bereich Wasserstoff ist. Klar wurde auch, dass die Nutzung von grünem Wasserstoff in wirtschaftlicher Hinsicht gewinnbringend sein kann und gleichzeitig einen Beitrag zu einer energieeffizienten und nachhaltigen weltweiten Energieversorgung leisten kann.